kinderherzen-Mission Zypern 2021

Antonia Rogler, Kinderkrankenschwester auf der Intensivstation im Leopoldina-Krankenhaus erzählt von ihrem Engagement bei der Organisation kinderherzen e.V.

Foto: kinderherzen

kinderherzen ist eine durch Spenden finanzierte, gemeinnützige Organisation, die neben der Forschung rund ums Thema Kinderkardiologie und der Förderung deutscher Kinderherzzentren auch gerne weite Reisen auf sich nimmt, um herzkranken Kindern in aller Welt dringend benötigte medizinische Versorgung zu ermöglichen.

Als ich im Februar 2020 – kurz nachdem ich meine Tätigkeit auf der Kinderintensivstation hier am Leo aufgenommen hatte – davon hörte, dass für eine Mission in Rumänien, die bereits im März stattfinden sollte, noch dringend eine Intensivkinderkrankenschwester gesucht wurde, war mein Interesse schnell geweckt.

Als ich meinen Stationsleitungen von meinem Vorhaben an der Mission teilzunehmen erzählte, sagten sie mir sofort ihre Unterstützung zu und änderten den bereits geschriebenen Dienstplan ab, sodass meiner Teilnahme an der Mission (eigentlich) nichts mehr im Wege stand.

Während wir – das ehrenamtliche Einsatzteam – quasi schon auf gepackten Koffern saßen, nahm die erste Welle der Corona-Pandemie rasant an Fahrt auf, weshalb die Mission dann wenige Tage vor Abflug aufgrund von Reiseverboten abgesagt werden musste. Corona legte die internationale Nothilfe von kinderherzen gezwungenermaßen über ein Jahr lang komplett lahm.

Antonia Rogler (Foto:Kristina Rogler, Studio 11 Fotografie)

Als im Frühjahr 2021 endlich wieder mit Einsatzplanungen begonnen werden konnte war die Freude groß. Neben Eritrea, Rumänien und El Salvador sollte das „Missions-Portfolio“ von kinderherzen nun mit Zypern um einen weiteren Einsatzort bereichert werden.

Den Grundstein für das Zypern-Projekt legte Dr. Ioannis Tzanavaros.

Dr. Tzanavaros – mit Leib und Seele Kinderherzchirurg – hatte sich in der Vergangenheit bereits bei einigen Missionen von kinderherzen ehrenamtlich für die herzkranken Kinder engagiert.

Nach jahrelanger Tätigkeit als Chefarzt an der Kinderherzchirurgie in Stuttgart beschloss der gebürtige Zypriote Anfang 2021 in seine alte Heimat zurückzukehren. Leider gab es für ihn dort nicht die Möglichkeit seiner beruflichen Leidenschaft – der Kinderherzchirurgie – nachzugehen.

Obwohl Zypern insgesamt über gute Infrastruktur und medizinische Versorgung verfügt, gab es für herzkranke Kinder bis dato keine Möglichkeit vor Ort eine operative Korrektur ihrer Herzfehler zu erhalten. Deshalb beschloss Dr. Tzanavaros dieser medizinischen Unterversorgung ein Ende zu setzen und mit Unterstützung einer kinderherzen-Mission auf Zypern eine Kinderherzchirurgie zu etablieren.

Gerne wollte ich diese Reise mit meinen Fähigkeiten und Engagement unterstützen. Auch diesmal genoss ich wieder die volle Unterstützung meiner Stationsleitungen und so wurde der Dienstplan entsprechend angepasst und ich für den Einsatz sogar teilweise vom Dienst freigestellt.

Nach intensiver Planung war es am Samstag, den 25.09.2021 dann endlich soweit – die Mission „Zypern“ konnte endlich beginnen und so setzten sich 20 motivierte Ärzte, Pflegekräfte, Kardiotechniker und kinderherzen-Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Ecken Deutschlands in Flugzeuge Richtung Larnaka.

Da ich zum ersten Mal an einer Mission von kinderherzen teilnahm, war ich sehr gespannt, was mich in der kommenden Woche erwarten würde.

Für mich war diese Mission nicht nur ein ehrenamtliches OP-Projekt, sondern stellte gleichzeitig auch ein Sozial-Experiment: Die Teilnehmer dieser Mission, die sich gegenseitig größtenteils nicht kennen, arbeiten in Deutschland in unterschiedlichen Kliniken nach unterschiedlichen Standards. Und nun wurden sie in ein fremdes Umfeld gesteckt, in dem auch nicht alle gewohnten Materialien und Medikamente vorhanden sind und lässt sie zusammen arbeiten – sehr spannend!

Während man bei kinderherzen dieses „Sozialexperiment“ schon seit vielen Jahren erfolgreich so praktiziert, hatte ich persönlich noch keine genaue Vorstellung, wie das funktionieren sollte.

Da es sich dabei um ein internationales Projekt handelt stellte die Kommunikation in verschiedenen Sprachen (englisch, griechisch, rumänisch, deutsch) eine zusätzliche Herausforderung dar. Selbst die innerdeutsche Kommunikation auf schwäbisch, bayrisch, fränkisch und norddeutsch war nicht immer für alle Teilnehmer gleichermaßen verständlich.

In Nicosia angekommen bereitete der Begründer dieser Mission – Dr. Tzanavaros uns in seinem Zuhause einen sehr herzlichen Empfang und wir hatten die Möglichkeit bei einem gemeinsamen Abendessen uns gegenseitig und das einheimische Klinikpersonal kennen zu lernen.

Bereits am nächsten Tag erkundeten wir unser neues Arbeitsumfeld für die kommende Woche – den OP-Saal und die Intensivstation (ICU) des „Apollonio Private Hospital“ in Nicosia – und begannen mit ersten Vorbereitungen.

Wir erstellten unsere Dienstpläne, ließen uns von unseren zypriotischen Kollegen die technischen Geräte zeigen und koordinierten die materiellen Ressourcen (Medikamente, Pflegeartikel, verschiedene Katheter uvm.), die wir benötigten, um die Kinder in den nächsten Tagen bestmöglich versorgen zu können.

Erfreulicherweise war die Intensivstation insgesamt schon sehr gut ausgestattet. Da hier aber normalerweise Erwachsene behandelt werden und auch einige der bei uns etablierten Medikamente nicht vorhanden waren, mussten wir hier und da etwas improvisieren, um unserem kleineren Patientenklientel gerecht zu werden.

Unsere Ärzte führten an den Kindern noch einige Voruntersuchungen durch und erstellten individuelle Behandlungskonzepte für die kleinen Patienten. Dabei waren unsere zypriotischen Kollegen stets eine sehr große Hilfe und schon bald war alles für unser anspruchsvolles OP-Programm in der kommenden Woche vorbereitet.

Am Montag, den 27.09.2021, war es dann endlich soweit:

Dr. Ioannis Tzanavaros durfte für seine Heimat Medizingeschichte schreiben und führte mit unserer Unterstützung die erste komplexe Kinderherzoperation auf der Insel Zypern durch.

Doch nicht nur für unser Behandlungsteam war dies ein großer Tag:

Der fünf Monate alte David hatte gemeinsam mit seiner Mutter den weiten Weg aus Rumänien auf sich genommen, um hier endlich die lebensrettende Korrektur-OP seines Herzfehlers – einer Fallot´schen Tetralogie – zu erhalten. Die OP verlief sehr gut und schon bald konnten wir David auf der ICU in Empfang nehmen.

Kurz darauf machte sich der kleine Patrik bereits auf den Weg in den OP.

Der 4 Monate alte Patrik war ebenfalls mit seiner Mutter aus Rumänien angereist, um hier die dringend notwendige Operation seiner angeborenen Aortenisthmusstenose durchführen zu lassen. Auch seine Operation verlief erfolgreich und schon bald konnte seine überglückliche und erleichterte Mutter ihn wieder in ihre Arme schließen.

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Neben der Arbeit im OP und auf der Intensivstation war die Schulung der Klinikmitarbeiter ein wichtiger Bestandteil dieser Mission und so gaben wir uns größte Mühe dem einheimischen Personal all das Wissen mitzugeben, welches sie in Zukunft für die Versorgung von herzkranken Kindern brauchen würden. Das Vermitteln von Fachwissen ist mir durch meine Tätigkeit als Praxisanleiterin zwar durchaus vertraut, jedoch stellte der Unterricht in englischer Sprache für mich eine neue Herausforderung dar. Im Vorfeld hatte ich bereits viel Arbeit in die Vorbereitung von Schulungen und Unterrichtsmaterial gesteckt und hoffte sehr, die Inhalte trotz der Sprachbarriere gut erklären zu können. Zu meiner Erleichterung funktionierte alles überraschend gut und falls sich etwas auf englischer Sprache nicht verständlich erklären ließ, wurde es zur Not eben pantomimisch dargestellt oder kreativ aufgemalt – man muss sich nur zu helfen wissen. Ob in stundenlangen Vorträgen oder während der Versorgung der Kinder auf der Station – unsere zypriotischen Kollegen waren unglaublich wissbegierig, motiviert und nutzen jede sich bietende Gelegenheit von uns zu lernen.

Die Freude über den erfolgreichen Start unseres OP-Projektes war groß, doch bereits am nächsten Tag sollten wir auf schmerzliche Weise daran erinnert werden, dass man in der Kinderherzchirurgie nicht immer für harte Arbeit belohnt wird und man leider auch nicht jedes Kind retten kann.

Unser OP-Team versuchte alles Menschenmögliche, um den schweren Herzfehler eines 6-jährigen Jungen zu korrigieren und operierte viele Stunden lang bis tief in die Nacht hinein – doch leider verstarb der Junge trotz aller Bemühungen wenige Stunden nach der OP.

Der Verlust dieses Kindes machte uns alle unglaublich betroffen. Als Behandlungsteam, das sich erst kurz vorher kennen gelernt hatte, ließ uns dieses Ereignis aber nochmal viel näher zusammenwachsen.

Doch während uns die Traurigkeit und die Erschöpfung noch ins Gesicht geschrieben standen, warteten an diesem Tag drei weitere Kinder bereits sehnsüchtig auf ihre Operationen. Zu unserer großen Freude verlief der dritte OP-Tag unserer Mission sehr gut:

Der Ventrikelseptumdefekt des 7-jährigen Nicolas wurde erfolgreich verschlossen und auch der Herzfehler der 2-jährigen Melani, die mit einem Sinus venosus-Defekt und einer partiellen Lungenvenenfehleinmündung geboren wurde, konnte problemlos korrigiert werden.

Der 10 Monate alte Oliver hatte bereits einige Monate vorher in Israel eine Korrektur-Operation seines Vitiums, einem Atrium- und Ventrikelseptumdefekt erhalten, nach dem Eingriff jedoch eine Instabilität seines Brustbeines entwickelt. Dieses wurde von unserem fleißigen OP-Team chirurgisch stabilisiert.

Als Team waren wir inzwischen sehr gut aufeinander eingespielt und ehe wir uns versahen war bereits der vierte und letzte OP-Tag dieses Projektes angebrochen. Die 16-jährige Niki war – genau wie David – mit einer Fallot´schen Tetralogie zur Welt gekommen und hatte als Säugling im Ausland eine Korrektur-Operation des Herzfehlers erhalten.

Nun benötigte sie aufgrund einer schweren Pulmonalklappeninsuffizienz einen Klappenersatz, welcher ohne Komplikationen verlief.

Zum Abschluss unserer Mission stand der 10-jährige Ali auf unserem OP-Plan. Ali litt an einem schweren kombiniertem Aortenvitium mit Aortenklappeninsuffizienz/ Aortenstenose.

Ein vorheriger Versuch ihn im Ausland zu operieren zu lassen, war bedauerlicherweise vor Ort sehr kurzfristig gescheitert und so setzte seine Familie sehr viel Hoffnung in unser Projekt. Als Ali dann nach der erfolgreich durchgeführten Ross-Operation auf die Intensivstation zurückkehrte war die Freude und die Erleichterung spürbar groß.

Schon am nächsten Tag – unserem letzten Arbeitstag in der Klinik – wurde der Erfolg dieser Mission sehr deutlich sichtbar: Der kleine Oliver durfte als erster die Klinik verlassen, wo ihn seine glückliche Familie bereits erwartete.
Für Patrik und David organisierten wir alles für deren Heimreise nach Rumänien am nächsten Tag.

Um sicherzugehen, dass unsere noch recht frisch operierten Schützlinge die weite Reise gut überstehen würden, erklärte sich unser engagierter Kardiotechniker kurzerhand bereit, die beiden nach Rumänien zu begleiten und für die medizinische Betreuung während des Fluges zu sorgen.

Bei Melani, Nicolas, Niki und Ali konnten wir schon nahezu alle Katheter und Drainagen entfernen. Wenige Tage später konnten auch sie gesund und munter aus der Klinik entlassen werden. Wir gaben unseren zypriotischen Kollegen noch einige Instruktionen für die weitere Behandlung und Nachsorge unserer kleinen Patienten und dann war für uns auch schon die Zeit gekommen uns zu verabschieden.

Auch nach der OP versorgt das kinderherzen-Team die kleinen Patienten.

Hinter uns lag eine arbeitsintensive und emotional sehr vielseitige Woche.

Während ich mir zu Beginn des Projektes nicht vorstellen konnte, wie die Zusammenarbeit mit einem bunt zusammen gewürfelten Team in einem völlig fremden Setting funktionieren sollte, war ich extrem positiv überrascht, wie einfach diese Zusammenarbeit unter solch außergewöhnlichen Rahmenbedingungen letztendlich war.

Diese unglaubliche Offenheit jedes einzelnen Teammitgliedes, diese enorme Flexibilität und die Bereitschaft auch mal zu improvisieren haben dies möglich gemacht und damit maßgeblich zu dem Erfolg dieser Mission beigetragen.

Die enorme Wertschätzung und Dankbarkeit, die uns während dieser Mission von allen Beteiligten entgegengebracht wurde empfand ich als unglaublich schön und wertvoll. Es war ein großartiges Gefühl mit viel harter Arbeit so viel erreicht, und den Kindern damit gesundheitlich eine echte Perspektive gegeben zu haben.

Am nächsten Tag traten wir erschöpft, aber glücklich und zufrieden unsere Heimreisen Richtung Deutschland an – voller Vorfreude, uns alle bald wieder auf einer kinderherzen-Mission irgendwo auf der Welt wiederzusehen.

Antonia Rogler im Interview

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