Woran die Schilddrüse erkranken kann und welche Therapieoptionen zur Verfügung stehen.
(Text: Stefan Pfister)
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Die Schilddrüse ist ein unscheinbares Organ, das sich knapp unterhalb des Kehlkopfes vor dem sogenannten Schildknorpel befindet. Im gesunden Zustand ist sie mit ihren zwei flügelartigen Lappen kaum zu ertasten. Bei aller Unsichtbarkeit ist sie lebensnotwendig. Spielt der streng regulierte Hormonhaushalt der Schilddrüse verrückt, hat das schwerwiegende Folgen.
Die Krankheitsbilder können dabei variieren, wie Dr. med. Ferdi Karaaslan, Oberarzt in der Chirurgischen Klinik, zu berichten weiß: „Die meisten Patienten, die zu uns in die Sprechstunde kommen, haben eine vergrößerte Schilddrüse, eine so genannte Struma. Diese Vergrößerung kann unter anderem zu mechanischen Symptomen wie Schluck- oder Atembeschwerden führen.“ Ursächlich hierfür ist in den allermeisten Fällen ein Jodmangel in der Ernährung. Unterfranken zählt zu den bekannten Jodmangelgebieten.
In den seltensten Fällen bildet sich eine homogene und gleichmäßige Schilddrüsenvergrößerung aus, eher die Regel sind Knotenbildungen an unterschiedlichen Stellen der Schilddrüse. Diese Knoten werden in „heiße“ und „kalte“ Knoten eingeteilt. Die Einteilung ist abhängig davon, ob der diagnostizierte Knoten funktionell aktiv – also eigenständig und ohne Regulierung – Schilddrüsenhormone produziert oder nicht.
Der Begriff „Knoten“ ist ein Sammelbegriff für Neubildungen unterschiedlichster Art, wie beispielsweise Zysten oder Narben, innerhalb der Schilddrüse. In einem Knoten kann sich aber auch Schilddrüsenkrebs verbergen. Eine bestimmte Risikogruppe gibt es nicht. Frauen sind allerdings häufiger betroffen als Männer.
Des Weiteren werden die Erkrankungen der Schilddrüse in Abhängigkeit der Funktion der Schilddrüse in Über- (Hyperthyreose) und Unterfunktion (Hypothyreose) eingeteilt.
Wie können Patienten auf eine erkrankte Schilddrüse aufmerksam werden? „Das ist ganz schwierig, wenn es nicht so offensichtlich ist wie ein Kropf“, räumt Dr. Karaaslan ein. Der Grund dafür seien die unspezifischen Symptome, denn eine kranke Schilddrüse muss nicht unbedingt vergrößert sein. „Bei einer Unterfunktion fühlt man sich eher müde, sie kann Depressionen auslösen und für eine Gewichtszunahme verantwortlich sein. Bei einer Überfunktion schwitzen die Betroffenen häufiger, auch Nervosität kann ein Symptom sein und der Blutdruck ist meist erhöht.“
Erste Erkenntnisse kann eine Vorsorgeuntersuchung beim Hausarzt liefern. Er tastet den Halsbereich ab und veranlasst eine Ultraschalluntersuchung. Zudem können über das Blut die Schilddrüsenwerte (TSH, T3, T4) bestimmt werden.
Liegen Auffälligkeiten vor, folgen als zweiter Schritt weitergehende Untersuchungen beim Nuklearmediziner, in Ausnahmefällen auch beim Endokrinologen – ein Internist, der auf Hormonerkrankungen spezialisiert ist. Der Nuklearmediziner kann unterschiedliche spezielle Untersuchungen wie zum Beispiel eine Szintigraphie durchführen. Im Rahmen dieser bildgebenden Diagnostik kann der Spezialist gut erkennen, inwieweit im Schilddrüsengewebe funktionelle Störungen vorliegen und damit unter anderem die vorher erläuterten Knoten sichtbar machen. Ist die Schilddrüse gesund, leuchtet sie wie ein Schmetterling in verschiedenen Farben bunt auf. Dagegen sind bei erkrankten Arealen, die beispielsweise eine Hormon-Überfunktion aufweisen, nur die Knoten sichtbar. Das Gegenteil davon sind „kalte Knoten“, also Stellen, an denen keine Hormone gebildet werden. Bei der Szintigraphie seien dann – bildlich gesprochen – „Löcher im Schmetterling“ zu sehen, erklärt der Oberarzt.
Während früher bei „kalten“ Befunden meist gleich operiert wurde, ist das mittlerweile nicht mehr der Fall. Je nach Befund gibt es unterschiedliche Therapieansätze, zum Beispiel reicht in einigen Fällen zunächst auch die Beobachtung.
Erst wenn der Nuklearmediziner einen auffälligen und möglicherweise operationswürdigen Befund erhebt, folgt die Überweisung ins Krankenhaus. Zunächst besprechen die Ärzte der Chirurgischen Klinik zusammen mit dem Patienten den Befund, stellen die Indikation und vereinbaren einen OP-Termin. Schilddrüseneingriffe gehören im Leopoldina-Krankenhaus zu den Routineeingriffen.
Der „kalte Knoten“ ist der häufigste Grund für eine OP. Ob eine bösartige Veränderung vorliegt, kann leider erst unter dem Mikroskop festgestellt werden. Noch während der Operation wird das entnommene Gewebe von Pathologen des Leopoldina-Krankenhauses untersucht und bei bösartigem Befund sofort reagiert. Zumeist werden dann die komplette Schilddrüse und angrenzende Lymphknoten entfernt. Danach ist – je nachdem, um welche Art Schilddrüsenkrebs es sich handelt – eine weiterführende Therapie sinnvoll. Der Großteil aller Erkrankungen kann gut behandelt werden und weist eine gute Prognose auf.
Auch wenn die Schilddrüsen-OP ein Routineeingriff ist, bleiben drei Risiken: Es besteht die Gefahr einer Nachblutung, vor allem am ersten Tag nach der OP. Deshalb wird der Eingriff auch stationär durchgeführt. Zweitens: Eine Herausforderung für den Operateur stellt die anatomisch unglückliche Lage des Stimmbandnervs dar, der unmittelbar hinter der Schilddrüse in den Kehlkopf führt und für die Öffnung der Stimmlippen im Kehlkopf verantwortlich ist. Dementsprechend vorsichtig agieren die Leopoldina-Chirurgen. Eine großartige technische Hilfe ist die kontinuierliche Nervenmessung, die bereits seit längerem zum Operationsstandard gehört.
Mit Hilfe dieser Methode kann der Nerv zu jeder Zeit überwacht werden. Dr. Karaaslan erklärt die Funktionsweise wie folgt: „Durch Änderungen der abgeleiteten Signalstärke merkt man sofort, ob man in der Nähe des Stimmbandnervs ist und kann entsprechend reagieren.“ In seltenen Fällen, und das ist das dritte Risiko einer OP, können die Nebenschilddrüsen in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies kann zu Störungen des Calciumstoffwechsels führen.
Illustration: Szintigraphie der Schilddrüse (Foto: ©Dr. Tosch – stock.adobe.com)
Wird eigentlich immer die gesamte Schilddrüse entfernt? Nein, das Ausmaß richtet sich nach dem individuellen Befund und der Schwere der Erkrankung. In den meisten Fällen wird dem Patienten nur ein Teil des Organs entfernt. Der Vorteil: Wenn genügend gesundes Gewebe erhalten bleibt, müssen die Betroffenen anschließend keine Schilddrüsentabletten einnehmen. „50 Prozent der Schilddrüse reichen üblicherweise aus, damit sie weiterhin genügend Hormone produzieren kann“, erklärt der Mediziner. Erst wenn noch mehr Gewebe oder die Schilddrüse komplett entnommen wird, sind die Patienten ein Leben lang auf Hormon-Medikamente angewiesen. „Wir versuchen immer, so organerhaltend wie möglich zu operieren.“
Online-APS: Die Operation der Schilddrüse und Nebenschilddrüse mit Dr. Andrea Hackl
Prof. Dr. Detlef Meyer im Interview
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