Lass dich nicht hängen!

Senkungsbeschwerden und Inkontinenz, das sollten keine Tabu-Themen sein.

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Das Bindegewebe und die Muskeln des Beckenbodens halten die Organe des kleinen Beckens (Gebärmutter, Blase und Darm) an ihrem Platz. Sind sie geschwächt und geben nach, kann das verschiedene Beschwerden verursachen, wie z.B. Inkontinenz beim Husten, Niesen oder Lachen, gehäuften Harndrang, Fremdkörpergefühl im Scheiden­eingang oder gar einen Vorfall von Scheide und Gebärmutter.

Prof. Michael Weigel im Gespräch mit einer Patientin.

Auch wenn mittlerweile in fast jedem Supermarkt Vorlagen für Blasenschwäche zu erhalten sind, hat sich dadurch nichts an der Tatsache verändert, dass das Thema Blasenschwäche und Senkungsbeschwerden sehr schambehaftet geblieben ist. Dabei ist es gar nicht so selten: Man schätzt, dass in Deutschland fünf bis acht Millionen Frauen betroffen sind – die Dunkel­ziffer ist sicherlich hoch. Und es ist kein ­reines Frauenleiden, wie viele annehmen, es kann auch Männer betreffen.

Der Beckenboden ist ein Geflecht aus drei übereinanderliegenden Muskelschichten und Bindegewebsstrukturen. Er legt sich wie eine Acht um Vagina bzw. Harnröhre und After und spannt sich wie eine Hängematte zwischen den Beckenknochen auf. „Beckenboden – das klingt solide und belastbar,“ erläutert Prof. Michael Weigel, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, „das ist er aber nicht. Wegen unserer aufrechten Körperhaltung entsprechen die an ihn gestellten Anforderungen einer „Quadratur des Kreises“: Denn unter der Geburt soll das Kindsköpfchen bitte hindurch passen, ansonsten aber soll er bitte unnachgiebig sein und bleiben. Ein schieres Ding der Unmöglichkeit. Deshalb leidet auch jede zweite Frau im Laufe ihres Lebens zumindest an einer leichten Beckenbodenschwäche.“

Risikofaktoren

Die Beckenbodenmuskulatur wird im Laufe des Lebens durch Über- und Fehlbelastungen geschwächt. Zu den größten Risikofaktoren zählen daher, neben dem Alter an sich: Schwangerschaften und Geburten, Übergewicht, chronischer Husten, häufige Verstopfung, Rauchen und natürlich schwere körperliche Arbeit. Angeborene Bindegewebserkrankungen oder Hormonmangel begünstigen dabei das Entstehen von Senkungsbeschwerden.

Senkungsbeschwerden sind vielfältig Meistens sind nicht nur einzelne, sondern mehrere Organe von der Senkung betroffen. Das Absinken kann mit verschiedenen Beschwerden verbunden sein: Zu einer Belastungsinkontinenz kann es bei erhöhtem Druck im Bauchraum kommen, wie er beispielsweise beim Lachen, Niesen, Husten, Hüpfen und sogar Treppensteigen entsteht. In diesen Situationen kommt es dann zu einem unwillkürlichen Abgang von Urin.

Davon abzugrenzen ist die sogenannte Dranginkontinenz, die auch unabhängig von einer Senkung auftreten kann: Es besteht gehäufter Harndrang, der so stark sein kann, dass man die rettende Toilette nicht mehr erreicht. Beide Formen können auch mehr oder weniger ausgeprägt gemeinsam auftreten. Bei einer Senkung der Gebärmutter und der Scheide können Druck- und Fremdkörpergefühle oder ein Ziehen im Unterbauch entstehen. Oft geht dies einher mit Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.

Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Vorfall, der das Organ aus der Scheide austreten lässt. Die Beschwerden bei einer Senkung von Blase und/oder Darm sind ähnlich.

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(Illustration: Formen der Beckenbodensenkung)

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Frauen, die Probleme mit Senkungs- bzw. Inkontinenzbeschwerden haben, rät Prof. Weigel dringend das Thema bei der gynäkologischen Untersuchung anzusprechen, denn nur dann könne man tätig werden. Männer wenden sich an einen Urologen. Nach einem ausführlichen Anamnesegespräch, in dem geklärt wird wann, wie oft und mit welchen Konsequenzen Inkontinenz und Senkungsbeschwerden ­auftauchen, evtl. in Kombination mit der Auswertung eines sogenannten Miktions-­Trink-Tagebuchs, erfolgt gezielte Diagnostik wie z.B. gynäkologische Untersuchungen, Ultraschall und/oder Blasendruckmessung. Im Anschluss daran wird individuell besprochen, wie der bestehende Leidensdruck der Patientin bzw. des Patienten verringert werden kann.

Bei leichten Beschwerden kann dies zunächst durch ein aktives Training des Beckenbodens sowie der Bauch- und Rumpfmuskulatur, durch Gewichtsreduktion, Tabakabstinenz oder das Einsetzen von Pessaren geschehen. Kann damit den Betroffenen nicht geholfen werden, stehen für eine Linderung der Beschwerden Medikamente und/oder operative Eingriffe zur Verfügung. Wichtig ist es Prof. Weigel zu betonen, dass man ärztlicherseits nur bei bestehendem Leidensdruck aktiv werde und dann die Therapie an die Lebenssituation der Patientin bzw. des Patienten anpasse. Heutzutage gäbe es eine Vielzahl unterschiedlicher OP-Optionen, die je nach Sachlage angewendet würden, das reiche von der Straffung von Gewebe bis zum Einbringen synthetischer Materialien. So sähe denn auch die Therapie einer noch jungen Frau, die eventuell noch einen Kinderwunsch hegt, völlig anders aus als die einer betagten Patientin.

Prof. Dr. med. Michael Weigel

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe

Chefarzt:
Prof. Dr. med. Michael Weigel

Sekretariat:
Katharina Faulhaber

Telefon: 09721 720-2132
Fax: 09721 720-2136

E-Mail: [email protected]
Internet: www.leopoldina.de

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PODCAST

Medizin & Menschen – Folge 30 – Geschwächter Beckenboden: Wenn Frauen unter Senkungsbeschwerden leiden

Prof. Dr. Michael Weigel

Zum Podcast

Medizin im Gespräch: „Blasenschwäche und Senkungsbeschwerden“
mit Prof. Dr. med. Michael Weigel.
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