Je früher die tückische Erkrankung erkannt wird, umso besser sind die Heilungschancen. Im Pankreaskarzinomzentrum arbeiten Spezialisten interdisziplinär zusammen für eine bestmögliche Behandlung.
(Text: Stefan Pfister)
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Es ist eine eher unbekannte Erkrankung, wenngleich prominente Todesfälle sie zeitweise ins Licht der Öffentlichkeit rücken: Apple-Chef Steve Jobs starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs, auch Startenor Luciano Pavarotti und Schauspieler Patrick Swayze erlagen diesem Leiden.
Pankreaskarzinome treten zwar selten auf, doch sie sind äußerst tückisch und bedürfen einer hochspeziellen Behandlung. Solche Tumorzellen sind meist bösartig und wachsen aggressiv. Erschwerend kommt hinzu, dass alles zunächst im Verborgenen geschieht, weil die Drüse gut eingepackt im Fettgewebe liegt. Deshalb bemerken Betroffene anfangs kaum etwas davon.
Typische Symptome gibt es nicht, eher unspezifische. Dazu zählen Schmerzen im Oberbauch, die sich gürtelförmig um den Körper ausbreiten, teils sogar in den Rücken ausstrahlen. Sie können plötzlich oder immer wieder auftreten, was von einer akuten oder chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung herrühren kann. Weitere Warnzeichen sind erheblicher Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Gelbsucht, Durchfall und Diabetes.
Sobald der Körper solche Signale aussendet, muss schnell gehandelt werden: Es gibt nur einen Weg, und zwar rasch zum Hausarzt zu gehen! Denn Zeit ist nach Ansicht von Prof. Dr. med. Detlef Meyer einer der entscheidenden Faktoren für eine erfolgreiche Behandlung. „Je früher ein Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckt wird, umso schneller können wir helfen und umso besser sind die Heilungschancen“, betont der Chefarzt der Chirurgischen Klinik.
Professor Meyer ist ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet. Er ist Mitbegründer des Pankreaskarzinomzentrums, das auf die Behandlung von Bauchspeicheldrüsenkrebs spezialisiert ist und das er gemeinsam mit Prof. Dr. med. Stephan Kanzler, Gastroenterologe und Chefarzt der Medizinischen Klinik 2, leitet. Spezialisten verschiedener medizinischer Disziplinen begutachten in ihrer wöchentlichen Tumorkonferenz auffällige Beschwerden und Befunde von Patienten und legen gemeinsam das weitere Vorgehen fest. Ist es Krebs und hat er schon gestreut? Wo genau befindet er sich? Ist eine OP sinnvoll und hilfreich oder sollte eine Chemotherapie eingeleitet werden? Solche und weitere Fragen werden dabei ausführlich diskutiert. Am Ende steht immer eine gemeinsame Entscheidung aller beteiligten Experten.
Die Diagnostik läuft entweder über den Hausarzt oder die Klinik von Prof. Kanzler. Erstes Mittel der Wahl bei einem Verdacht ist der Ultraschall. Noch näher an die Bauchspeicheldrüse kommt die Klinik von Prof. Kanzler mit der Endosonographie, eine Ultraschalluntersuchung während einer Magenspiegelung. Dies erscheint logisch, denn die Bauchspeicheldrüse liegt ja anatomisch hinter dem Magen. Hierbei kann sogar eine Gewebeprobe zur weiteren Klärung des Prozesses entnommen werden. Zusätzliche Einblicke ermöglichen CT, MRT und ERCP, um zum Beispiel Bauchspeicheldrüsengänge und Gallenwege näher zu untersuchen.
Um eine hochspezialisierte Behandlung zu sichern, wurde im Jahr 2011 das interdisziplinäre Pankreaskarzinomzentrum gegründet. Dies arbeitet in Kooperation mit niedergelassenen Medizinern und verschiedenen Krankenhausdisziplinen. Zu den Partnern gehören neben Chirurgie, Gastroenterologie, Onkologie, Strahlentherapie und Radiologie im Leopoldina-Krankenhaus unter anderem das MVZ Leopoldina und MVZ Ebern, die Haßberg-Kliniken und das Ambulanzzentrum Schweinfurt. Darüber hinaus sind Sozialberatung, Physiotherapie, Psychoonkologie und Ernährungsberatung wichtige Säulen des Konzeptes. Für eine bestmögliche Therapie orientiert sich das zertifizierte Zentrum an wissenschaftlich fundierten Leitlinien.
Die beiden Leiter des Pankreaskarzinomzentrums am Leopoldina-Krankenhaus: v.l. Prof. Dr. med. Detlef Meyer (Chefarzt der Chirurgischen Klinik) und Prof. Dr. med. Stephan Kanzler (Chefarzt der Medizinischen Klinik 2).
Die chirurgische Therapie ist nach Auskunft von Prof. Meyer „das einzige potenziell kurative Verfahren, das eine Chance auf Heilung verspricht“. Der Tumor muss dabei aber vollständig entfernt werden. Drei Viertel der Karzinome entstehen am Pankreaskopf. In der Medizin spricht man von rechtsseitig. Ob der Krebs rechts oder links liegt, ist von zentraler Bedeutung beim weiteren Vorgehen. Mithilfe der Whipple-Operation, benannt nach dem amerikanischen Bauchspeicheldrüsenchirurgie-Pionier, werden zusätzlich zum Tumor auch ein Teil des Gallengangs und der Zwölffingerdarm entfernt. Dass ein Teil des Magens herausgenommen wird, ist mittlerweile die Ausnahme. Üblich ist das Magen-erhaltende Verfahren (Pylorus-erhaltende Teilresektion nach Traverso/Longmire). In manchen Fällen wird eine adjuvante Chemotherapie vorangestellt, um größere Tumore erst zu verkleinern und sie dann im Zuge der folgenden Operation vollständig zu entfernen. Eine der OP nachfolgende „Chemo“ ist eine weitere Option, um sicherzugehen, dass alle Krebszellen zerstört wurden.
Weniger häufig ist die linksseitige Pankreasresektion, die inzwischen auch in der „Schlüsselloch-Technik“ (=minimal-invasiv) durchgeführt wird. Bei dieser OP-Variante werden der Körper und Schwanz der Bauchspeicheldrüse zusammen mit der Milz und den Lymphknoten entfernt. Dass einmal das komplette Organ herausgenommen werden muss, ist eher eine Seltenheit, aber ebenfalls eine Option, wenn dadurch der gesamte Krebs entfernt werden kann.
(Prof. Dr. med. Detlef Meyer, Leiter des Pankreaskarzinomzentrums)
Warum eine frühzeitige Entdeckung nottut, verdeutlicht folgende Statistik: In den meisten Fällen ist das Wachstum des Bauchspeicheldrüsenkrebses bereits weit fortgeschritten.
Nur bei 15 bis 20 Prozent aller Patienten kann das Karzinom überhaupt restlos entfernt werden. Und nur dann besteht, wie schon beschrieben, eine Heilungschance. Der Leiter des Zentrums rät aus diesem Grund allen Betroffenen: „Wenn der Tumor operiert werden kann, dann sollte man diese Chance auf jeden Fall wahrnehmen.“
Ist dies nicht mehr möglich, wird die Therapie auf einen palliativen Zweck ausgerichtet. Es geht dann darum, das Wachstum des Tumors zu verhindern oder diesen zu verkleinern, um u.a. auch die Symptome und Schmerzen des Patienten zu lindern. Das gilt auch dann, wenn der Krebs bereits Metastasen gebildet hat. Mit Einsatz der Chemo- und Strahlentherapie kann somit die Lebensqualität verbessert werden.
Nach einer Operation an der Bauchspeicheldrüse sind die Patienten nicht automatisch Diabetiker. Erst wenn ca. 60 bis 90 Prozent des Organs fehlen, entsteht die Zuckerkrankheit. Betroffene können in der Regel normal essen. Zu jeder Mahlzeit müssen sie aber Verdauungsenzyme in Form von Tabletten einnehmen.
Bei alledem stellt sich natürlich eine zentrale Frage: Gibt es eine Vorsorgeuntersuchung für Bauchspeicheldrüsenkrebs? Prof. Meyer hat darauf eine eindeutige Antwort: „Nein. Es ist leider noch nicht möglich, ein Pankreaskarzinom in einem sehr frühen Stadium zu erkennen.“ Obgleich intensiv an einer besseren Früherkennung geforscht wird. Und sogar an Impfstoffen! Das Pharmaunternehmen Biontech arbeitet bereits an der Entwicklung von Krebsimpfstoffen auf Basis der mRNA-Technik, auf der sein Coronaimpfstoff basiert. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete im Februar von „ermutigenden Ergebnissen“ auch bei Karzinomen an der Bauchspeicheldrüse.
Mehr als 14.000 Menschen erkranken jedes Jahr an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sowohl Männer als auch Frauen sind davon betroffen. Zumeist tritt die Erkrankung bei über 60-Jährigen auf. Bei den Krebstodesfällen belegt das Pankreaskarzinom den vierten Platz. Die Ursachen, warum sich die Zellen der Drüse in Tumorzellen verwandeln, sind bislang kaum bekannt. Weitgehend gesichert ist, dass Rauchen zu den Risikofaktoren zählt. Übermäßiger Alkoholkonsum sowie Gallensteine und Gen-Mutationen können ebenfalls zu Entzündungen des Organs (akute oder chronische Pankreatitis) und zu einem Karzinom führen.
(Quelle: Prof. Dr. med. Detlef Meyer / Infobroschüre „Bauchspeicheldrüsenerkrankungen“ des Europäischen Pankreaszentrums in Heidelberg)
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