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Eine Familie erzählt …

Es war kein leichter Start für die Zwillinge Kalle und Ole. Die beiden Jungs kamen am 29.05.2017, fünfzehn Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, zur Welt. Völlig überraschend für die ganze Familie, verlief die Schwangerschaft von Sabine Schodorf doch bis dahin ohne Komplikationen. Mia, die große Schwester von Kalle und Ole, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz drei Jahre alt.

Die drei Kinder der Familie Schodorf Kalle, Mia und Ole spielen gern im Garten und sind für jeden Spaß zu haben.

Am Leopoldina-­Krankenhaus besteht seit 2006 ein ­Perinatalzentrum Level 1. Es ermöglicht die Versorgung von Hochrisiko-Schwangerschaften und eine Frühgeborenen-Versorgung, da es sowohl über ausreichende Erfahrung als auch über die technischen Möglichkeiten im Umgang mit extrem Frühgeborenen, die vor der 28. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, verfügt.

Mit der Geburt von Kalle und Ole begann für die fünfköpfige Familie eine hoch emotionale und extrem anstrengende Zeit. 15 Wochen Entwicklung fehlten den beiden Babys – die Folgen waren zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. „Das Ganze hätte auch anders laufen können“, erinnert sich Vater Marcel. „Die Überlebenschance der beiden lag bei 20 Prozent“.

Heute toben Kalle und Ole wie andere Fünfjährige im Garten, fahren Roller und bauen mit Magnetsteinen Häuser und Türme. „Die ersten Gespräche mit den Ärzten waren schlimm. Wir waren völlig überfordert und konnten das Gesagte überhaupt nicht einordnen“, fasst Sabine Schodorf die Eindrücke von damals zusammen. Die Prognosen für die beiden waren tatsächlich nicht gut und man kann heute ohne Übertreibung auch von einem Wunder sprechen, wenn man die beiden Jungs beim Spielen beobachtet. In diesem ganzen Gedankenchaos, in das jede Familie mit frühgeborenen Kindern stürzt, fand vor allem Mutter Sabine bei Sozialpädagogin Birgit Hahn die Unterstützung, die sie jenseits des Medizinischen gebraucht hat: „Frau Hahn war in der langen Zeit, in der wir im Krankenhaus waren – und auch anschließend zu Hause – mein Anker.“ Die Sozialpädagogin, die seit 2006 Teil des Teams in der Kinderklinik ist, erklärt: „Für die Eltern bricht bei einer Frühgeburt – vor allem in einer so frühen Schwangerschaftswoche wie bei Familie Schodorf – eine Welt zusammen. Unsere Aufgabe ist es, die Eltern psychisch aufzufangen und sie in dieser schweren Zeit zu begleiten.“ Für die Familien sind die Sozialpädagoginnen eine wertvolle Stütze: „Durch den Austausch hat sich uns eine andere Sichtweise eröffnet. Die Gespräche haben Mut gemacht und die Tipps haben uns in dieser Situation unglaublich geholfen“, blicken die Eltern der Zwillinge zurück.

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Ca. sechs Wochen nach der Geburt durften Kalle und Ole das erste Mal im Inkubator kuscheln.

Der Bunte Kreis ist ein multi­professionelles Team des Leopoldina-Krankenhauses bestehend aus Pflegefachkräften, Psychologen, Sozialpädagogen und Kinderärzten. Es unterstützt den Übergang von der intensiven Klinik­behandlung in den Alltag
und steht der Familie als ­Ansprechpartner zur Seite.

Das Kangooroing ist eine wichtige therapeutische Maßnahme und fördert die Bindung zwischen Eltern und Kind.

Fast vier Monate verbrachten Kalle und Ole im Krankenhaus – mit vielen Höhen, aber auch Tiefen. Vor allem Kalle hatte immer wieder mit ­Rückschlägen zu kämpfen. In dieser Zeit war das ­Leopoldina für die Familie fast zu einem zweiten Zuhause geworden. Das offene und ehrliche Miteinander von Ärzten und Pflegefachkräften, die Tag und Nacht zur Verfügung standen, ist den Schodorfs deutlich in Erinnerung geblieben.

Zwischenzeitlich musste Kalle in Erlangen medizinisch behandelt werden, Ole blieb in Schweinfurt. „Es tat unglaublich gut, dass sich sowohl die Pflegekräfte als auch die Ärzte immer wieder nach Kalles Befinden erkundigt haben“, erinnert sich die dreifache Mutter. Neben der Sorge um die Söhne lief der Alltag der Familie ­irgendwie weiter. Zum einen kümmerten sich die Eltern um Mia, die zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise schon in der Kita ihren Platz gefunden hatte. Zudem musste der laufende Hausbau und auch die familieneigene Fahrschule organisiert werden. Neben der familiären Unterstützung war die Hilfe durch den sozialpädagogischen Dienst eine riesige Entlastung für die Familie. „Der Schwerpunkt unserer Arbeit ist die psychosoziale Unterstützung der Eltern. Wir führen entlastende und ermutigende Gespräche, vermitteln Hilfen für zu Hause und unterstützen bei der Antragstellung auf Pflegegeld oder Schwerbehindertenausweis“, erklärt Birgit Hahn, eine der beiden Sozialpädagoginnen am Leopoldina.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde die Familie durch den Bunten Kreis weiter betreut. „Es tat uns unglaublich gut, die Menschen, die wir schon aus dem Krankenhaus kannten, auch zu Hause wieder zu sehen. So wurden wir nicht nur bei den kleineren medizinischen Problemen bestens unterstützt, wir hatten auch einen Gesprächspartner für unsere Alltagssorgen“, ist Marcel Schodorf von diesem Konzept überzeugt. Besonders wichtig war die Unterstützung der Pflegekräfte, Sozialpädagoginnen und Ärzte, als Kalle Anfang November mit einer Hirnhautentzündung wieder ins Krankenhaus musste. Für die Familie war die Hilfe durch das Team der Kinderklinik und des bunten Kreises unbezahlbar: „Dieses gesamte Netzwerk fängt einen auf und hilft in allen Bereichen – alleine hätten wir das nicht geschafft!“

Heute geht es den fünfjährigen Jungs sehr gut. „Wenn man bedenkt, dass Ole inzwischen Tretroller fährt, obwohl die Prognose damals hieß, dass er nie eigenständig sitzen kann, sind wir wahnsinnig stolz auf unsere Kinder, die sich ins Leben gekämpft haben“, fassen die Eltern die unglaubliche Entwicklung zusammen. Inzwischen werden die Phasen ohne medizinische Zwischenfälle immer länger.

 

Fünf Jahre nach der überraschenden Frühgeburt resümiert die Familie: „Wir sind glücklich, auch wenn unsere Familie auffällt. Für die Zukunft ­wünschen wir uns, dass die Jungs genauso weitermachen wie bisher. Schön wäre es, wenn die Gesellschaft Menschen, die nicht der Norm entsprechen, noch besser akzeptiert und integriert.“

Aynur Scheuring

Bunter Kreis

Koordination: Aynur Scheuring

Telefon: 09721 720-3316
Fax: 09721 720-2959

E-Mail: [email protected]
Internet: www.leopoldina.de

Kalle beschäftigt sich gerne mit Büchern, Buchstaben und Zahlen. (links) Ole liebt es, bunte Bügelperlenbilder zu gestalten. Dafür ist viel Fingerspitzengefühl gefragt. (rechts)

PODCAST

Medizin & Menschen – Folge 33 – Alltag auf der Kinderintensivstation

Karina Wiegler-Schenkel

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